Der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfall auf der Autobahn

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.12.2016 klargestellt, dass auch bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn ein Anscheinsbeweis greifen kann.

Im vorliegenden Sachverhalt war die Klägerin im Juni 2012 mit ihrem Motorrad einem Auto mit Anhänger aufgefahren. Dabei erlitt sie erhebliche Verletzungen. Nach dem Vortrag der Klägerin ereignete sich der Unfall alleine deswegen, weil das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich brutal bremste und auf die rechte Spur wechselte, auf der sich die Klägerin befand, sodass kein Ausweichen mehr möglich war. Die Klägerin verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Der BGH allerdings – wie auch bereits das Gericht der Vorinstanz – wiesen die Klage ab. Der Kläger muss grundsätzlich beweisen können, dass den Beklagten ein (mindestens Mit)Verschulden trifft. Der BGH geht in seiner ständigen Rechtsprechung allerdings davon aus, dass das Verschulden bei einem Auffahrunfall, gerade auf einer Autobahn, regelmäßig den Auffahrenden trifft. Der erste Anschein spricht demnach für Unaufmerksamkeit, Nicht-Einhalten des Sicherheitsabstandes oder unangemessene Geschwindigkeit des Auffahrenden. Da im Einzelfall alle Umstände vom Tatrichter beurteilt werden müssen, kann dieser erste Anschein durch Vorliegen weiterer, atypischer Umstände widerlegt werden. Dazu zählt zum Beispiel ein vorausgehender Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs, wie vorliegend von der Klägerin behauptet. Allerdings kann eine Ausnahme nur dann greifen, wenn derjenige zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewandt wird, atypische Umstände beweisen kann. Vorliegend konnte die Klägerin allerdings nicht beweisen, dass ein Spurwechsel des beschuldigten Fahrzeuges stattgefunden hat. Somit musste auch nach Auffassung des BGH typischerweise von einem Verschulden des auffahrenden Fahrzeugs, demnach der Klägerin, ausgegangen werden. Sie muss sich mindestens einen gewichtigen Eigenhaftungsanteil anrechnen lassen, wodurch ihr keine Ansprüche auf Schadensersatz zuzusprechen waren.

BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16

Ihr
Rechtsanwalt Sebastian Limmer

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