Am 26.10.2018 gab Fujitsu Siemens bekannt, dass in Augsburg das Werk im Jahr 2020 geschlossen werden soll. 1.800 Arbeitsplätze fallen damit weg und dementsprechend wissen natürlich auch 1.800 Arbeitnehmer nicht, wie es weiter geht. In einer wirtschaftsstarken Region endet es natürlich nicht für 1.800 Leute in Arbeitslosigkeit – zum Glück. Trotz positiver Wirtschaftsdaten gibt es unterschiedliche Gründe für Standortschließungen. Vor diesem Hintergrund möchten wir die Folgen einer derartigen Standortschließung, insbesondere auch die Rechte der Arbeitnehmer, darstellen.
1. Betriebsbedingte Kündigung
Grundsätzlich rechtfertigt eine solche Betriebsschließung eine betriebsbedingte Kündigung. Fallen die Arbeitsplätze vollständig weg, entfällt sogar die sog. Sozialauswahl, d.h. egal wie alt der Arbeitnehmer ist, oder wie viele Kinder er hat, er ist unter Einhaltung der Frist für die ordentliche Kündigung kündbar.
Sollte jemand ordentlich unkündbar sein, rechtfertigt die Betriebsschließung eine außerordentliche Kündigung, die dann jedoch den ordentlichen Kündigungsfristen (sog. Auslauffrist) unterfällt.
An diesem Ergebnis ändert es im Übrigen auch nichts, falls der Betrieb gar nicht hätte schließen müssen, weil er bspw. schwarze Zahlen schreibt. Die Betriebsschließung ist eine sog. „freie unternehmerische Entscheidung“, die nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Dennoch kann eine solche betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein. Dies vor allem, wenn sie sehr frühzeitig erfolgt. Denn dann ist es für den Arbeitnehmer noch gar nicht absehbar, ob der Betrieb wirklich geschlossen wird. Hier bietet sich ein Angriffspunkt, vor allem wenn zum Beispiel noch Verhandlungen über den Verkauf geführt werden. Da dies meist für den Arbeitnehmer nicht erkennbar ist, müsste der Arbeitgeber, auch in einem Prozess, darlegen und beweisen, dass die Schließung hinreichend wahrscheinlich ist und damit die Kündigung gerechtfertigt werden könnte.
Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, bspw. weil er den Arbeitnehmer in ein anderes Werk versetzen kann, könnte eine solche aber unwirksam wegen unbilliger Härte sein.
Unwirksamkeitsgründe ergeben sich auch oft, wenn lediglich einzelne Filialen geschlossen werden. Stellen solche nämlich keinen eigenen „Betrieb“ dar, sondern gehören mit anderen Filialen gemeinsam zu einem Betrieb, muss eine Sozialauswahl stattfinden. Ggf. hätte ein Arbeitnehmer einer anderen Filiale gekündigt werden müssen.
Auch dass lässt sich überprüfen.
2. Abfindung oder neuer Arbeitsplatz an anderem Standort
Besteht ein Betriebsrat werden in der Regel sog. Sozialpläne ausgehandelt. Darin ist im Normalfall eine Formel enthalten, nach welcher sich eine Abfindung berechnet. Hierbei werden Kriterien wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit und Anzahl der Kinder relevant.
Es kann aber im Sozialplan auch festgehalten sein, dass die Arbeitnehmer auf andere Standorte, soweit vorhanden, umverteilt werden. Dann muss eine sogenannte Änderungskündigung ausgesprochen werden. Die Arbeitnehmer werden also gekündigt und erhalten gleichzeitig ein neues Arbeitsverhältnis an einem anderen Standort angeboten. Nur wenn dies unbillig wäre, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine ausgehandelte Abfindung. Die Unbilligkeit wäre jedenfalls zu überprüfen.
Besteht kein Betriebsrat, gibt es dann aber auch keinen Sozialplan und hiernach auch keine Abfindung. Eine solche kann zwar gezahlt werden, ein Anspruch hierauf besteht aber nicht.
Eine solche kann dann allenfalls noch ausgehandelt werden, wenn der Arbeitnehmer die betriebsbedingte Kündigung angreifen kann.
3. Betriebsschließung während Elternzeit
Aufatmen können Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, die sich zum Zeitpunkt der Schließung in Elternzeit befinden. Diese können trotz Schließung nicht gekündigt werden, solange keine entsprechende behördliche Genehmigung vorliegt. Und das dauert unter Umständen. Wird eine solche Genehmigung gar nicht eingeholt, ist eine Kündigung erst möglich, wenn der Arbeitnehmer aus der Elternzeit zurückkehrt und dann auch nur mit ordentlicher Kündigungsfrist. Bei langen Kündigungsfristen kann hier also noch ein Gehaltsanspruch bestehen und zwar auch, wenn der Standort bereits geschlossen ist.
4. Besonderer Kündigungsschutz
Der Arbeitgeber muss auch bei einer Standortschließung besondere Kündigungsschutzvorschriften beachten. So muss bspw. auch bei einem Schwerbehinderten die zuständige Behörde zustimmen.
Da der Arbeitgeber also eine Vielzahl an Auflagen zu beachten hat, einerseits beim Thema der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Betriebsschließung, als auch im Hinblick auf den Betriebsrat und auch bei einer sog. Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit, aber auch im Hinblick auf etwaige sonstige vertraglichen Abreden oder Tarifverträge, lohnt es sich, die Kündigung mit einem Rechtsanwalt zu besprechen. Der Arbeitgeber wird nähere Informationen meist erst herausgeben, wenn er sich dazu gezwungen sieht. Daher ist eine anwaltliche Beratung in solche fällen unerlässlich.
Mit unserer langjährigen Erfahrung im Arbeitsrecht sind wir ein starker Partner an Ihrer Seite. Wir unterstützen Sie daher gerne.
Ihr
Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Vincent Feurstein
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